Serengeti

Wenn 6 Millionen Hufe auf die trockene Savanne stampfen, bebt der Boden noch in weiter Ferne. Bis zu 40 Kilometer lang sind manche Kolonnen, in denen jedes Jahr mehr als 2 Millionen Gnus, Zebras und Antilopen vom Süden in den Norden der Serengeti und weiter in die Massai Mara wandern. Es ist die Zeit der Migration. Die Zeit der großen Wanderschaft. Bis zu 50 Kilometer am Tag legen die Tiere auf ihrem Weg zurück. Erst am Fluss Mara halten sie an. Immer wieder prüfen einzelne Gnus das von Krokodilen wimmelnde Wasser. Bis sich plötzlich ohne Vorwarnung tausende Tiere gleichzeitig in den brodelnden Fluss stürzen, um das rettende Ufer auf der anderen Seite zu erreichen.

Dieses Spektakel ist weltweit einzigartig. Doch das könnte bald Geschichte sein. Ein Highway soll mitten durch die Serengeti gebaut werden. Damit wäre die Serengeti in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt. Die Wanderung der großen Herden würde blockiert, ihre Wege, die sie seit Jahrhunderten gehen, abgeschnitten…

Die Serengeti ist der Inbegriff der afrikanischen Savanne. Das von den Massai „Siringet“ genannte Land, was in ihrer Sprache soviel wie „endlose Ebene“ bedeutet, machte der Frankfurter Zoologe Bernhard Grzimek mit seiner Dokumentation „Serengeti darf nicht sterben“ weltberühmt. Er würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass man die Serengeti einfach zerschneiden will.

Der 480 Kilometer lange Highway soll Tansanias zweitgrößte Stadt Arusha mit der Hafenstadt Musoma am Victoriasee verbinden. Die Strasse und zwei jeweils 50 Meter breite Streifen links und rechts sollen den Park auf einer Länge von 53 Kilometer durchqueren und vom Schutzgebiet herausgelöst werden. Durch diese Loslösung aus dem Nationalpark gelten auf der Strasse nicht die üblichen Nationalparkregeln. In der Serengeti ist die Geschwindigkeit auf 50 Kilometer pro Stunde begrenzt, es gilt Nachtfahrverbot und das Befahren mit Lastwagen ist generell verboten.

Die neue Strasse wäre eine profitable Verbindungsroute zwischen Kenias Hafenstadt Mombasa und Ruanda, Burundi und dem Osten Kongos, die keinen Zugang zum Meer haben. Von Mombasa wurden im vergangenen Jahr mehr als sechs Millionen Tonnen Güter in diese Region transportiert – mit Lastwagen, eine funktionierende Eisenbahnverbindung gibt es nicht. Das entspricht mehr als 400 großen Trucks pro Tag, die durch die Serengeti fahren würden. Wenn zehntausende Tiere zum gleichen Zeitpunkt eine stark befahrene Strasse queren, wären Unfälle unvermeidbar. Um den Verkehr zu schützen, wird man Zäune errichten – für Gnus, Zebras und Antilopen eine unüberbrückbare Mauer. Die großen Herden der Serengeti können nicht mehr nach Norden ziehen. Ihre Wanderungen, die sie seit Menschengedenken machen, sind blockiert, ihre Wege abgeschnitten.

Namhafte Zoologen, wie der Afrikadirektor der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, Markus Borner oder zahlreiche Tierschutzgesellschaften wie die renommierte Wildlife Conservation Society befürchten, dass es zu einer massiven Dezimierung der Herdentiere kommt. Das hätte dramatische Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Die UNESCO hat bereits angekündigt, falls die Strasse gebaut wird, der Serengeti den Status als Weltnaturerbe zu entziehen. Das Ende der Serengeti?!